Bayerns Schüler vor einem sich anschleichendem Chaos:
fehlende Vorbereitung auf die neue Studienstruktur

Fachtagung „Vom Gymnasium zum Bachelor und Master“ beim Nürnberger Berufsbildungskongress sucht Wege, um Oberstufenschüler auf Bachelor und Master vorzubereiten

Nürnberg, 14. Dez. 2005 - „Die neue Studienstruktur mit Bachelor und Master ist kein irgendwie neuer Studiengang oder zusätzlicher Studienabschluss im alten System sondern eine komplette Umwälzung des bisherigen Studiums.“ Dies stellte Werner Honal, Vorsitzender der „Stiftung Gymnasium, Studium und Beruf“ des Bayerischen Philologenverbands, als ein Ergebnis seiner Fachtagung „Vom Gymnasium zum Bachelor und Master“ fest. Mit vier Referaten und in sechs Arbeitsgruppen wurde informiert und nach Wegen gesucht, die bayerischen Oberstufenschüler auf die revolutionäre Veränderung des Studienbetriebs an den Universitäten und Fachhochschulen in Bayern vorzubereiten.

Dabei spiegelte auch diese Fachtagung, die in den bis 15. Dez. 05 dauernden Berufsbildungskongress der Bayerischen Staatsregierung eingebunden war, die aktuelle Lage: Während die Einen immer noch darüber diskutieren wollen, ob wir überhaupt die neue Studienstruktur brauchen, stellen sich Andere darauf ein, das beste für die Oberstufenschüler aus der bereits zum Faktum gewordenen Umstellung zu machen.
Von den 1860 Studienangeboten in Bayern sind bereits 187 auf den Abschluss Bachelor und 235 auf den Abschluss Master umgestellt. "Tendenz steigend!" meint dazu Bayerns Wissenschaftsminister Dr. Thomas Goppel. Aus seinem Ministerium stellte dazu Larissa van Bürck fest, das nun auch in "Kern- und Massenfächern" die Umstellung erfolge und Studiengänge mit Diplom oder Magister, mit denen viele Eltern Erfahrungen haben, nach den bisherigen Studienstrukturen eingestellt würden. Bis 2010 soll die neue Studienstruktur komplett stehen, wobei Bayern selbst in der Lehrerbildung zwar das traditionelle Staatsexamen erhalten, es aber modularisieren, mit Leistungspunkten verrechenbar und mit dem Bachelor und Master verbinden will.

Wenn Lehrkräfte, mangels eigenem Erleben und ohne einschlägige Fortbildung, aus der eigenen Studienzeit über die „Zeit zur Orientierung im Anfangsstudium“ und den „Erwerb von Scheinen“ den Schülern berichteten, dann sind das, so ein Diskussionsbeitrag, „kontraproduktive Geschichtchen aus der alten Zeit“. Nun gibt es keine "Scheine" mehr, die zur Zulassung zum Examen zu sammeln sind. Für konkrete Module sind jeweils Leistungspunkte zu erbringen, die dann bereits als Teil der Abschlussprüfung zählen. Meist kommt erst jener Studierende zum nächsten Modul, der das davor liegende Modul erfolgreich absolviert hat.
„Das erste Semester“, so die referierende Studienberaterin Iris Schneider Burr aus Bayreuth, „ist nun bereits der Ernstfall“. Bereits die Leistungspunkte aus dem ersten Semester zählen nämlich zum Abschluss. Im Modulhandbuch, das es zu jedem Studiengang gebe, müsse auch eine Berechnung der Arbeitsbelastung ("Workload") für den Studierenden enthalten sein. Andernfalls werde der Studiengang von den dazu geschaffenen Akkreditierungsstellen nicht anerkannt. Das zwinge zu klaren Strukturen.
Die neue Bedeutung eines guten Starts in das Studium erfordere es aber, die Beratung für Schüler und angehende Studenten dringend anzupassen und zu verbessern. In Bayreuth habe sich bei den Bachelor- Studiengängen gezeigt, dass die Studierenden wesentlich zufriedener seien und deutlich seltener das Studienfach wechselten oder abbrächen.

Eben diese höhere Studienzufriedenheit, die Verringerung der viel zu hohen Abbrecherquote und die Senkung des Alters der Hochschulabsolventen, das in Deutschland zur Zeit bei 28 Jahren liege, seien Gründe, warum sich die bayerische Wirtschaft nachdrücklich für die Studienstruktur mit Bachelor und Master einsetze. Dies betonte Melanie Schübel als Referentin der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft. Ihre Prognose: „Die Grenzen zwischen dem Fachhochschulabschluss und dem der Universität werden verschwimmen. Weiterbildung zum Master, die den Hochschulen auch Einnahmen verschaffen, und Personalentwicklung für die dann jünger einsteigenden Beschäftigten werden an Bedeutung gewinnen.“ Dass aber noch nicht ausreichend viele Unternehmen auf die jungen Bewerber mit Bachelor eingestellt sind, wie ein Diskussionsteilnehmer einwarf, bestätigte auch die in die Fachtagung integrierte Erkundung bei den Ausstellern des Berufsbildungskongresses. Es dürfe nicht darauf gewartet werden, dass sich die Bachelor- Absolventen, deren Noten oder Geld für eine Master-Weiterbildung nicht ausreichten, erst selbst durch Nachfrage einen Beschäftigungsmarkt aufbauten.

Auch aus der Sicht der Wirtschaft, so Melanie Schübel, sei eine bessere Information und Beratung der Oberstufenschüler dringend. Rainer Feineis aus dem Otto-von-Taube-Gymnasium in Gauting hielt dem die gegenwärtige Zeitnot in der Oberstufe und die fehlende Motivation der Kollegiaten für Studien-, Berufs- und Lebensplanung entgegen. Auf die zunehmende Informationsflut reagierten die Schüler eher mit steigendem Desinteresse. Er habe nun, unterstützt von einem bayernweiten Arbeitskreis Gleichgesinnter, das Konzept BuS entwickelt und erprobt, in dem Informationen über die schwerwiegenden Änderungen auch bearbeitet werden und ankommen. BuS stehe für ein systematisches, wissenschaftlich fundiertes Vorgehen zur Berufs- und Studienwahl im Unterricht, der für die Kollegiaten verbindlich sei und in dem kognitive Leistungen auch bewertetet werden könnten. Man dürfe nicht erst bis zur Einführung des dafür geeigneten Seminars in der neuen Oberstufe warten, sondern müsse jetzt schon einen in der Jahrgangsstufe 12 verbindlichen Grundkurs dafür einführen. Mit BuS könnten Abiturienten die häufige Frage: „Und was studieren Sie jetzt nach dem Abitur?“ fundiert und ehrlich beantworten. Wenn die Wirtschaft jüngere Hochschulabsolventen suche, müsse sie BuS unterstützen, das sich damit die Kluft zwischen Abitur und Studienbeginn verkleinere. In den Arbeitsgruppen wurde auch von den Vertretern der Eltern diese Verankerung in der Oberstufe gefordert. Hier sei eine Lawine unterwegs, die, ohne systematische Fortbildung aller Lehrer der Oberstufen und vor allem der Berater, „zum Studienchaos und nicht zur Verbesserung des Studiums führen werde“, so die geäußerte Befürchtung.

Abhilfe könnte erfolgen durch:
- Schrittweise Einführung des zwei Jahre vor dem Abitur verpflichtenden Unterrichtsangebots BuS ab dem Herbst 2006
- Systematische Vorbereitung der den Unterricht BuS erteilenden Lehrkräfte
- Engere Zusammenarbeit der Beratungsdienste der Arbeitsagentur, der Hochschulen und der Schule
- Ausreichend Zeit für die Beratung in der Schule für die Berater der Arbeitsagentur und der Hochschulen im Rahmen von BuS, auch für Einzelberatungen
- Ausbau der Studienfachberatung der Hochschulen und der Schulberatungsstellen
- Angebot von "Service-Stellen" an den Hochschulen zur Vermittlung der Praktika, wegen deren steigender Bedeutung beim Bachelor
- Fachspezifische Fortbildung für alle Lehrkräfte, die in der Oberstufe unterrichten zum Ablauf und Stellenwert der Bachelor- und Masterstudiengänge.

Aus dem Kreis der aus allen Teilen Bayerns nach Nürnberg angereisten Teilnehmer, insbesondere der stark vertretenen  „Berater für Akademische Berufe“ der Bundesagentur für Arbeit, wurde  die veranstaltende Stiftung „Gymnasium, Studium und Beruf“ gebeten, die Tagungsergebnisse allen Gymnasien und Beratern in Bayern zugängig zu machen und ebenso effektive Folgeveranstaltungen zur neuen Studienstruktur und zu BuS, der verbindlichen Berufs- und Studienwahlvorbereitung in der Oberstufe, anzustoßen.

Dazu hat die Stiftung umgehend die vorliegenden drei Tagungsvorträge und zahlreiche Bezugsinformationen unter http://www.bama-bayern.de in das Internet gestellt.



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