Aus dem Tätigkeitsbericht 2003 der neun staatlichen Schulberatungsstellen
Bayerns:
Brigitte
Eder
Modelle zur flächendeckenden Diagnostik und Förderung
bei LRS und Legasthenie
Strukturablauf in Niederbayern zur Einrichtung von
LRS-Kursen und zur Umsetzung des Nachteilsausgleichs
Aufgaben des LRS-Ansprechpartners pro Schule ·
Halten qualifizierter LRS Kurse ·
Information fürs Kollegium ·
Umsetzung des Nachteilsausgleichs ·
Ansprechpartner für Eltern und LehrerErfassen von LRS-Kindern durch
Screening |
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LRS-Anprechpartner pro Schule Einzelne Schulen |
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Aufgaben des LRS-Teams ·
Ausbildung von LRS-Kursleiter für jede Schule ·
Fortbildung für Kollegien ·
Kooperation mit außerschulischen Einrichtungen |
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Schulamtsbezirke Regelmäßige Treffen zum Austausch
auf Regierungsebene |
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Landshut |
Kelheim |
Deggendorf |
Dingolfing |
Straubing |
Passau |
Rottal-Inn |
Regen |
Freyung |
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Ausbildung
regionaler Teams pro Schulamtsbezirk mit 9 Bausteinen zu Legasthenie/LRS |
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Basale Fähigkeiten |
Stufen des Schriftspracherwerbs |
Förder- diagnostik |
Rechtschreib- strategien |
ganzheitlicher Ansatz |
Arbeitshaltung Konzentration |
Aufbau einer LRS-Stunde |
Kooperation mit Eltern und Lehrer |
Einrichten von LRS-Kursen |
Ergebnis:
·
In
7 von 9 Schulamtsbezirken hat fast jedeVolksschule einen eigenen ausgebildeten LRS
Ansprechpartner, der qualifizierte LRS Förderkurse anbieten kann und Lehrer und
Eltern berät.
·
An
nahezu allen Volksschulen in Niederbayern kann qualifizierte Förderung
stattfinden. Ein eigener Stundentopf für LRS wäre wichtig!
Das Ausbildungskonzept für die Multiplikatoren und dessen
Vernetzung wurde von Brigitte Eder, Schulpsychologin, Staatliche Schulberatungsstelle Niederbayern
entwickelt und eingeführt.
Die Kooperation mit der Regierung,
den Schulämtern und den Schulleitern ist eine Voraussetzung für die Umsetzung
des Konzepts. Diese Unterstützung erfolgt in Niederbayern vorbildlich.
Aus dem Tätigkeitsbericht 2003 der neun
staatlichen Schulberatungsstellen Bayerns:
Susanne
Gutzeit, Bruno-Ludwig Hemmert, Klaus Kessler, Bernhard Meißner
Konzepte
zur Hochbegabtenförderung
Hochbegabung:
Neubewertung eines wichtigen Beratungsbereichs
Eine wesentliche Aufgabe des gegliederten
bayerischen Schulwesens ist es, Kindern und Jugendlichen eine ihren Neigungen
und Fähigkeiten entsprechende Bildung zu vermitteln. Schulberatung hat im differenzierten und
begabungsgerecht ausgerichteten Bildungswesen in Bayern eine zentrale
Steuerungsfunktion, indem sie Kindern und Jugendlichen hilft, die für sie
adäquate Bildungslaufbahn zu finden.
In diesem Kontext ist die Förderung hoch
begabter Kinder aus einer Reihe von Gründen in den letzten Jahren aktuell
geworden. Entscheidend dazu beigetragen hat der Beratungsbedarf von Eltern,
deren Kinder nach Intelligenztests als besonders intelligent eingestuft wurden,
die aber in der Regelschule mehr oder weniger deutlich versagen. Der Druck
verschiedener Elterninitiativen war es v. a., der die Problematik ins
öffentliche Bewusstsein rückte.
Es wurde klar, dass die Notwendigkeit der
Förderung an beiden Rändern der Begabungsskala besteht, d. h. Förderung nicht
nur für Schüler und Schülerinnen, die verschiedene Arten von Behinderungen und
Benachteiligungen aufweisen, sondern auch für besonders Befähigte und Begabte.
In der öffentlichen Diskussion spielte dabei
eine wesentliche Rolle, dass der Begriff „Elite“, der lange Zeit
gesellschaftspolitisch negativ besetzt – wenn nicht gar tabuisiert - war, auf
Grund wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wandels einer realistischeren
und weniger ideologiebefrachteten Betrachtungsweise Platz gemacht hat. Seitdem
werden in der öffentlichen Diskussion auch zunehmend die Forderungen nach
spezieller Unterstützung Hochbegabter laut. Diesbezügliche Kongresse, z. B.
1998 der Kongress zur Hochbegabtenförderung des Bayerischen Kultusministeriums
in Zusammenarbeit mit der BMW AG in München, unterstreichen diese neue Sichtweise.
Nicht zuletzt wird mit der Begabtenförderung
auch ein für die Gesellschaft essentielles Problem angegangen und verdeutlicht:
die Notwendigkeit der Schaffung einer Leistungs- bzw. Verantwortungselite als
entscheidender Faktor der Zukunftssicherung. Somit ist in jüngster Zeit – auch
unter dem Eindruck des „PISA-Schocks“ und des Konkurrenzdrucks durch die
Globalisierung - die Identifizierung und die Beratung besonders Begabter mit zu
einem wichtigen Thema der Schulberatung geworden, da auch Eltern, Lehrer und
Schulen für diese Thematik sensibler geworden sind.
Zur Verdeutlichung möglichen Beratungsbedarfs
seien hier als Beispiel die Zahlen aus dem Grundschulbereich angefügt.
Im Schuljahr 2002/2003 besuchen - statistisch
gesehen - 10.349 besonders begabte Kinder die bayerischen Grundschulen, davon
sind 2531 Schulanfänger. Diese Anzahl entspricht 2% der Schüler einer
Altersgruppe, die erwartungsgemäß in Intelligenztests IQ-Werte von etwa 130
erreichen und damit gemeinhin als „hoch begabt“ gelten.
Auf der einen Seite sind es selbstbewusste
Eltern, die entsprechende Hilfen und Angebote erwarten, während auf der anderen
Seite eine immer enger werdende Finanzdecke der öffentlichen Hand dies nicht
immer zur vollen Zufriedenheit gewähren kann.
Diesem Dilemma sieht sich oft auch die Schulberatung
gegenüber, die deshalb auch initiativ an der Schaffung weiterer Möglichkeiten
der Förderung besonders Begabter mitwirkt.
Von der Berechtigung und Notwendigkeit
begabungsgerechter Förderung ist jeder überzeugt, in Bezug auf hoch begabte
Kinder ist dies aus mehreren Gründen schwierig, insbesondere dann, wenn diese
Kinder so genannte Minderleister
(Underachiever) in der Schule sind
oder sich dazu entwickeln.
Besonders Begabte verfügen oft über eine
besonders schnelle Auffassungsgabe, ein exzellentes Gedächtnis, sehr gute
sprachliche Fähigkeiten, originelle Lösungsideen, Ausdauer und
Anstrengungsbereitschaft, Sozialkompetenz, umfangreiches Sachwissen und
vielfältige Interessen, manchmal allerdings nur über eine oder zwei dieser
Fähigkeiten. Auch mehrere der genannten Fähigkeiten sind jedoch nicht automatisch ein Garant für
überdurchschnittliche schulische Leistungen.
Andere Faktoren können entsprechend
leistungsmindernd wirken; so verläuft die Entwicklung im körperlichen,
emotionalen und kognitiven Bereich oft unterschiedlich schnell. Dazu können
sich Umweltfaktoren wie Schule, Familie und Gleichaltrige förderlich oder
hemmend auswirken. Für die Qualität der Leistungen eines Schülers ist das
Zusammenspiel aller Komponenten ausschlaggebend.
Die Notwendigkeit entsprechender Förderung
wird durch diese Überlegungen nicht im geringsten vermindert. Vielmehr ist eine
breite Sensibilisierung aller Personen erforderlich, die mit Kindern zu tun
haben. Um eine frühe Identifikation, Beachtung und Förderung besonders begabter
Kinder möglich zu machen, ist die Beobachtungsfähigkeit aller Bezugspersonen zu
fördern. Deutlich wird dies u. a. in Fällen von Lernschwierigkeiten wie z. B.
ADHS oder Legasthenie, wo eine besondere Begabung leicht übersehen wird.
Schließlich zeigt sich auch, dass
Eltern, die eventuelle Schwächen ihrer Kinder an der Hochbegabung festmachen,
negative Folgen für die Kinder bewirken. So können solche Kinder den Wert von
ausdauernder und sorgfältiger Arbeit unterschätzen und ihre Talente nicht wirklich
umsetzen. Hier sei Albert Einstein zitiert, der bei einem Genie 90 Prozent Arbeit
und nur 10 Prozent Genialität sah.
Nicht einfacher wird dieses Problem durch die
Schwierigkeit zweifelsfreier Identifikation besonderer intellektueller
Begabung. Aufwändige Untersuchungen und die Sammlung von Beobachtungen aus
verschiedenen Quellen sind nötig. Unterschiedliche Begabungsbegriffe, die in
der wissenschaftlichen Diskussion einander gegenüberstehen, erschweren eine
Einheitlichkeit ebenso wie die Tatsache, dass es im Kontinuum unterschiedlicher
Begabungen nicht an einer bestimmten Stelle
- etwa einem IQ von 130 – einen qualitativen Sprung zwischen den darüber
und den darunter liegenden gibt.
Die Akzeptanz der Thematik litt so nicht nur
auf Grund des o.g. historisch bedingt umstrittenen Elitebegriffs, sondern natürlich auch durch
die landläufige Meinung, dass wirkliche Begabung sich schon alleine durchsetzen
und letztlich in besonderen Leistungen zeigen werde.
Ablehnung findet sich vor allem auch gegenüber
den Kindern, die im sozialen Kontakt oder sonst im Verhalten auffällig werden,
was seltener bei Mädchen als bei Jungen geschieht.
Weiterhin ist es einer Akzeptanz hinderlich,
wenn auffälliges Verhalten vorrangig als Zeichen besonders guter Begabung
gesehen und interpretiert wird.
Durch die Notwendigkeit jedoch,
Begabungseliten wahrzunehmen und den immer häufiger geäußerten Leidensdruck
vieler verkannter Begabter und ihrer Eltern gewann die Thematik in den letzten
Jahren dennoch an Aktualität und Bedeutung.
Die Diskussion in diesem Bereich dreht sich
sowohl um den Einsatz und die Bedeutung unterschiedlicher Testverfahren als
auch um die Gültigkeit von Beobachtungen oder Urteilen von Bezugspersonen der
betreffenden Kinder. Während manche Experten (z. B. Rost) Lehrerurteile völlig
verwerfen, versuchen andere (z. B. Heller) sie einzubeziehen.
In der Praxis – etwa an der
Goethe-Kepler-Volksschule oder dem Deutschhaus-Gymnasium in Würzburg - werden
umfassende diagnostische Untersuchungen durchgeführt. Lehrer- und
Elternbeobachtungen, auch Schülerbeobachtungen (INKOS, Grundschule in Landshut)
werden systematisiert und auf Tauglichkeit in der Praxis untersucht.
Schwierig gestaltet sich gelegentlich die
Zusammenarbeit mit nichtschulischen Experten, wenn auffällige Diskrepanzen in
den Ergebnissen und Sichtweisen auftreten. Grundsätzlich werden deren
Ergebnisse und Beobachtungen in die Analyse einbezogen und liefern Hinweise auf
Leistungskapazitäten unter bestimmten Bedingungen.
Keine Übereinstimmung von Experten gibt es
bisher darüber, welche Intelligenztests einzusetzen sind. Präferiert wird daher
die Kombination verschiedener Tests, Einzeltests und Gruppentests mit
allgemeineren Aufgabenstellungen und stärker schulbezogenen Subtests. So lässt
sich sowohl eine Aussage über die vermutliche intellektuelle Kapazität als auch
über die in der Schule zu erwartende Umsetzung machen. Eine Diagnose, die zu
hohe Erwartungen nährt, führt ebenso zu Frustrationen wie zu niedrige
Erwartungen und zu geringe Anforderungen.
Landesweit, etwa auch am
Maria-Theresia-Gymnasium in München und am Deutschhaus-Gymnasium in Würzburg,
setzt sich die Vorstellung durch, dass dann, wenn Zugangsberechtigungen für
besondere Klassen eine Rolle spielen, aktuelle und von Schulpsychologen
durchgeführte Untersuchungen notwendig sind. Die letzte Entscheidung muss der
Schule selbst vorbehalten bleiben. Als
Grundsatz gilt dabei, dass die Diagnose „Hochbegabung“ keine Antwort auf
Schwierigkeiten ist, sondern die Frage nötiger und möglicher Förderung im individuellen
Fall aufwirft.
Die Frage nach der Zugangsberechtigung zu
besonderen Arbeitsgemeinschaften, Projekten oder sonstigen Aktivitäten im
Grundschulbereich sollte auf der Basis umfassender Eltern- und
Lehrerbeobachtungen beantwortet werden Eine testpsychologische Feststellung des
IQ-Wertes wird in diesem Zusammenhang als eher hinderlich, nämlich als soziale
und sonstige Gräben eröffnende Gefahr gesehen.
Wenn klar ist, dass Hochbegabung als Diagnose
noch keine Antwort auf die Frage nach angemessener Förderung im entsprechenden
Fall beinhaltet, dann muss die Erfassung der Möglichkeiten, Hintergründe und
spezieller Belastungen sehr breit angelegt sein. So ist es erforderlich, neben
den Persönlichkeitsmerkmalen, den „Moderatoren“ (Heller) des Kindes auch sog.
Stützfaktoren wie Ausdauer, Konzentrationsfähigkeit, Motivation und – wie schon
erwähnt - Einflüsse der Familie, der Peergroup sowie das ganze Umfeld in die
Untersuchung einzubeziehen. So erweist
sich z. B. eine Diagnose und nachfolgende Beratung ohne Einbeziehung der Lehrer
leicht als unbefriedigend.
Checklisten für Eltern, Lehrer und sogar
Klassenkameraden können hilfreich sein und mit dazu beitragen, die häufige
Überschätzung der Bedeutung von Intelligenztestwerten zu mindern.
Am Deutschhaus-Gymnasium in Würzburg bewähren
sich im Moment so genannte Beobachtungs- oder „Kennenlern“-Tage, bei denen
Kinder in unterschiedlichen sowohl leistungsbezogenen als auch nicht
leistungsbezogenen Situationen erlebt und beobachtet werden können. Sie haben
den Vorteil, dass sie Kindern Spaß machen und nicht den Charakter einer Prüfung
haben.
Besondere Bedeutung könnten auch Ansätze in
der Diagnostik haben, die weniger von dem statischen IQ ausgehen, sondern von
der Lernfähigkeit, die dadurch definiert wird, dass nach der ersten
unbeeinflussten Durchführung eines Intelligenzverfahrens Strategien für die
Bewältigung dieser Aufgaben angeboten werden und dann das Verfahren erneut
durchgeführt wird. Aus der Differenz der Ergebnisse im ersten und zweiten
Durchgang wird nicht nur auf die Lernfähigkeit geschlossen, sondern auch
darauf, welche Unterstützungsstrategien individuell besonders wirksam waren.
Diese geben Hinweise für die besonderen Unterstützungsmöglichkeiten bei einem
bestimmten Kind (vgl. Feuerstein).
Überspringen von Klassen (Akzeleration)
Grundsätzlich sollte das Überspringen
möglichst frühzeitig erfolgen. Dieser Erfahrung wird auch indirekt Rechnung
getragen durch die Möglichkeit der vorzeitigen Einschulung wie sie im
Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz verankert ist., wobei die
Voraussetzungen dafür im Einzelfall schulpsychologisch überprüft werden müssen.
Eine Einschulung in die zweite Klasse ist allerdings ausgeschlossen.
Zeigt sich schon am Beginn oder während der
Grundschulzeit, dass die Passung zwischen intellektuellem Potential und
schulischer Anforderung fehlt, kann nach den Bestimmungen der Volksschulordnung
(§ 27 VSO) eine Beschleunigung des Lernstoffs durch Überspringen in die nächste Jahrgangsstufe erfolgen. Nach
Überprüfung der Voraussetzungen (schulpsychologische Diagnostik) kann der Schulleiter
den Antrag der Eltern auf
Überspringen einer Jahrgangsstufe
befürworten, wenn zu erwarten ist,
dass der Schüler nach Reife und Leistungsfähigkeit den Anforderungen gewachsen
ist.
Das Überspringen kann in der Grundschule in
besonders begründeten Fällen auch ein zweites Mal genehmigt werden.
Nach der Entscheidung für das Überspringen hat
der Schüler ein Anrecht auf Hospitation
in der nächsthöheren Klasse.
Die mögliche Beschleunigung durch Überspringen
beim Übertritt ans Gymnasium, d. h. von Jahrgangsstufe 3 der Grundschule in die
Eingangsklasse (Jgst. 5) des Gymnasiums erfordert eine ganz besonders
sorgfältige Beratung und individuelle Förderung, da hier bei höheren
Anforderungen und der Konfrontation mit einer anderen Schulart mit
Schwierigkeiten gerechnet werden muss. Andererseits wird diese Möglichkeit
durch die Schulordnung der Gymnasien gefördert, da mit der Befürwortung des
Überspringens die Aufnahmevoraussetzungen ins Gymnasium – und damit die
Eignungsbestätigung - schon erfüllt sind.
In der Zeit vor und nach dem Überspringen
braucht der Schüler in besonderem Maße die emotionale Unterstützung,
Wertschätzung und Anregung von Eltern und Lehrern; denn es gilt dann,
Schulstoff nachzuarbeiten und sich in die neue Klasse einzugewöhnen.
Erfahrungsgemäß wird das Überspringen als Herausforderung gut akzeptiert und
bewältigt, vor allem wenn nach der Überprüfung entscheidender Voraussetzungen
das Kind, Schule und Familie beraterisch begleitet wurden.
Überspringen von Klassen wurde lange Zeit als
der Königsweg der Hochbegabtenförderung in der Regelschule, insbesondere in der
Grundschule, gesehen, solange andere Möglichkeiten sich kaum anboten. Wenn
Kinder in die Grundschule eintreten, die bereits rechnen, lesen und vielleicht
sogar schreiben können, dann ist es naheliegend, dass die Lösung selbstverständlich
zu sein scheint, dass diese Kinder in eine Klasse eintreten, die ihrem Leistungsstand
entspricht. Leider bringt diese Lösung jedoch in manchen Fällen nur kurzfristig
Erleichterung für die gelangweilten Kinder, da die Herausforderung nach der
ersten Zeit des Springens bald erneuter Langeweile weichen kann. Die
Lernschritte sind weiter zu klein, die emotionale Integration in die Gruppe der
älteren Kinder gelingt nicht oder Teilleistungen, wie z. B. flüssiges Schreiben,
das guter Entwicklung und Übung der Feinmotorik bedarf, führt zu Frustrationserlebnissen.
Erschwerend kann in solchen Fällen auch sein, wenn Lehrer keine Übergangszeit
gewähren oder einer solchen Versetzung aus verschiedenen Erwägungen heraus grundsätzlich
ablehnend gegenüberstehen. Fazit aus diesen Erfahrungen ist, dass ein
Automatismus des Überspringens abzulehnen ist. Vielmehr muss eine
differenzierte Diagnose unter Einbeziehung des gesamten Umfeldes im Sinne
systemischen Vorgehens empfohlen werden.
Förderung durch zusätzliche Angebote (Enrichment)
Förderansätze sind inzwischen vielfältig, aber
alle nicht flächendeckend umgesetzt. Es gibt schulische Förderung im
Klassenverband und außerhalb des Klassenverbands, dazu Förderangebote
nichtschulischer Gruppierungen, z. B. durch Selbsthilfegruppen
von Eltern.
Schulische Fördermaßnahmen im Klassenverband
Förderung im Klassenverband nutzt die
Möglichkeiten der inneren Differenzierung. Nicht Separierung von besonders befähigten
Schülern aus ihrer direkten Lernumgebung steht im Vordergrund, sondern integrative Förderung.
Ein Hindernis ist dabei der Mangel an
geeigneten Materialien oder wenig Beweglichkeit bei den räumlichen
Voraussetzungen. Es zeigt sich an dieser Stelle, dass die Bemühungen um
bestmögliche Förderung gut begabter Kinder allen zugute kommen, denn es geht
dabei um das Angebot individuell ausgerichteter Lerngelegenheiten.
Schulische Fördermaßnahmen
außerhalb des Klassenverbands
An vielen Schulen und Schularten, vor allem an
weiterführenden Schulen, bieten Enrichment-
oder Pluskurse zusätzliche Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten. Sie können
ebenso in Form von Arbeitsgemeinschaften oder Projekten auftauchen. Sie werden
für einzelne Schulen angeboten, bei mehr als der Hälfte aller Gymnasien gehören
sie zum Standardangebot, können aber auch, vornehmlich in Ballungsräumen,
schulübergreifend für mehrere Schulen angeboten werden. Das Staatsinstitut für
Schulpädagogik und Bildungsforschung hat schon 1990 eine Handreichung für die
Gestaltung von Pluskursen erstellt.
Erst allmählich wird erkannt, dass solche
Angebote besonders in der Grund- und Unterstufe nötig sind. Mit der Initiative Würzburger Schülerakademie wird diesem
Bedürfnis seit einigen Jahren Rechnung getragen.
Bevor die Würzburger Schülerakademie ihre
Angebote an Eltern und Schüler richten konnte, mussten umfangreiche und
zeitaufwändige Vorbereitungsarbeiten bewältigt werden, an denen die
Schulberatungsstelle für Unterfranken initiativ und kooperativ beteiligt war.
Inzwischen organisiert und plant die Dienststelle federführend die jeweiligen
neuen Kurse zu Schuljahresbeginn.
Ferienseminare und Wettbewerbe
Weiterhin zu nennen sind hierzu auch sog. Ferienseminare auf Bundes- und Landesebene.
Hier treffen sich besonders interessierte und leistungsfähige Schüler und
bearbeiten in Projektarbeit unterschiedlichste Themen. Darüber hinaus erhalten
sie die Gelegenheit, mit bekannten Persönlichkeiten aus Kultur, Politik,
Wirtschaft etc. in Kontakt zu treten.
Als schulübergreifendes Angebot, das Begabtenförderung
ermöglicht, sind zusätzlich die verschiedenen Landes- und Bundeswettbewerbe wie
z.B. Alte
Sprachen und Mathematik anzuführen.
Selbsthilfegruppen der Eltern
Manchmal wird die Palette der Angebote durch
engagierte Eltern erweitert. Dazu gehören Kursangebote meist in sehr kleinen,
auch altersgemischten Gruppen zu speziellen Themen, wie Archäologie,
biologische Praktika, Chemie, Physik, Philosophie, Theater und Sprache,
Schreibwerkstatt, Astronomie, Geheimsprachen, Hieroglyphen und Psychologie. Letzteres
vor allem im Sinne einer Verbindung von Theorie und Reflexion des eigenen
Verhaltens.
In der Art von Selbsthilfegruppen erfahren
auch Eltern in solchen Gruppierungen Solidarität und Unterstützung.
Freizeitaktivitäten mit den Kindern helfen diesen, gleichgesinnte Freunde zu
finden. Auch wenn gelegentlich zu sehr davon ausgegangen wird, alle Probleme
der Kinder seien auf die Hochbegabung zurückzuführen, hat die Aktivität der
Eltern zu einem nicht unerheblichen Maße dazu beigetragen, dass die Problematik
in der Öffentlichkeit und der bildungspolitischen Diskussion eine zunehmend
größere Rolle spielt.
Kooperation Eltern-Schule
Besonderer Erwähnung bedürfen Aktivitäten, die
in Kooperation zwischen Eltern und Schule zustande kommen. So werden unter der
Federführung der staatlichen Schulberatungsstelle in Oberbayern/Ost seit
einigen Jahren in München begehrte Wochenendveranstaltungen mit Eltern,
Kindern, einigen interessierten Lehrern und anderen Anbietern von Projekten oder
Arbeitsgemeinschaften durchgeführt. An diesen Wochenenden können Eltern ihre
Erfahrungen austauschen, mit Lehrern und anderen Experten reden, Kinder
Anregungen erhalten und - was besonders wichtig ist - Gleichgesinnte kennen
lernen. Da sich bei diesen Wochenenden auch die Teilnahme von Geschwisterkindern
bewährt hat, ist der Aspekt ausschließlicher Beteiligung Hochbegabter
gemildert, was viele Vorteile im Hinblick auf eine wünschenswerte Integration
hat.
An einer Erziehungsberatungsstelle in
Würzburg erweist sich eine andere Form der Förderung als Erfolg
versprechend. Ein auf diese Problematik spezialisierter Psychologe kombiniert
hier Beratung von Eltern und Kindern mit Fördermaßnahmen, die einzeln oder in
Gruppen erfolgen können.
Schulversuche
Nachdem mehrere Versuche besondere Klassen für besonders begabte Schüler an Gymnasien in Bamberg, Nürnberg,
Regensburg und München einzurichten, gescheitert waren, konnte erstmals im
Schuljahr 2000/01 am Maria-Theresia-Gymnasium, München, eine solche Klasse
beginnend mit der 6. Jahrgangsstufe eingerichtet werden. Es folgte im Jahr
darauf die Einführung eines weiteren Modellversuchs am Deutschhaus-Gymnasium in
Würzburg, bei dem schon mit der Jahrgangsstufe 5 begonnen wurde.
Zum Schuljahr 2001/02 erhielt die
Goethe/Kepler/Volkschule in Würzburg ein zusätzliches Stundenkontingent für die
Förderung besonders begabter Schülerinnen und Schüler. Der Antrag auf
Fortsetzung dieser Fördermöglichkeit als Schulversuch wurde bereits eingereicht
und wird zur Zeit überprüft.
Der Schulversuch „Jahrgangsgemischte Eingangsstufe“ erweist sich an verschiedenen
Grundschulen Bayerns als zukunftsweisender Förderrahmen.
Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Zielsetzung entsprechender Förderung.
Grundlage vieler Angebote ist der Anspruch, ganzheitlich zu fördern, nicht nur
in speziellen, meist kognitiv ausgerichteten Interessengebieten, sondern auch
im kreativen, gestalterischen Bereich. Viele Angebote zielen zudem auf die
Entwicklung verantwortungsbewussten Handelns und Rücksichtnahme auf andere ab;
am Deutschhaus–Gymnasium wurde als eigenes Fach „Personale Kompetenz“
eingeführt.
Weitere Fördermöglichkeiten ergeben sich durch
entsprechende Schulwahl. Um ein Modell der Akzeleration handelt es sich beim
Schulversuch „8-jähriges Gymnasium“,
wo der Unterrichtsstoff der Jahrgangsstufen 6 bis 11 auf 5 Jahre komprimiert
wird. Dem Schulversuch liegen die Ergebnisse der Modellversuche in
Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zugrunde.
Besonderer Erwähnung bedarf die Unterstützung
von Aktivitäten durch die Karg-Stiftung, die sich der Förderung von
Hochbegabung annimmt. Viele Erfolg versprechende Ansätze werden finanziell und
durch die Organisation von hochkarätigen Fortbildungs- und
Austauschveranstaltungen vor allem der Beteiligten an entsprechenden
Modellversuchen unterstützt.
In Würzburg bewährt sich die
Einbeziehung verschiedener Partner in die Diskussion. So entstand ein Regionalforum
zur Hochbegabtenförderung in Zusammenarbeit von Schulabteilung der
Regierung und dem Forum Eltern-Lehrer-Schüler (FELS), das sich insbesondere der
Schulentwicklung annimmt. Ihm gehören sowohl Vertreter der verschiedenen
Schularten als auch der Eltern, der Universität, der Wirtschaft, des
Jugendamts, der Schulberatung, des Kindergartens als auch weitere Experten an.
Bei anlassbezogenen Treffen zwei oder drei Mal im Jahr kommen regional
relevante Themen zur Sprache. Auf diese Weise konnten der Schulversuch am
Deutschhaus-Gymnasium auf breiter Basis diskutiert und die dabei gewonnenen
Erkenntnisse auf die o. g. Grundschule und nun auch auf den Kindergarten
ausgedehnt werden. Überdies konnte in Kooperation mit einer
Erwachsenenbildungstätte der Region eine Wochenendtagung zur Diskussion
grundsätzlicher Fragen initiiert werden.
Mit großen Hoffnungen verbunden ist die
Zusammenarbeit mit der Universität, die Anregungen und Möglichkeiten
wissenschaftlicher Begleitung der Modellversuche einbringt. Bisher fehlen noch
empirisch gewonnene Daten über den Erfolg von unterschiedlichen Fördermodellen.
Deshalb sind erste Ergebnisse einer solchen begleitenden Untersuchung am Deutschhaus-Gymnasium
mit Spannung zu erwarten.
Erst gelegentlich wird engere Zusammenarbeit mit der Universität
genutzt. Gymnasiasten besuchen Veranstaltungen der Universität in ihren
Spezialgebieten. Auf diesem Feld ist eine Verbreiterung des Angebotes und
leichtere Institutionalisierung wünschenswert.
In diesem Zusammenhang sei auch an die finanzielle Förderung hoch begabter
Studierender erinnert. Diese Stipendien werden im Anschluss an die
Gymnasialzeit in größerem Umfang flächendeckend nach speziellen Prüfungen bei
den Ministerialbeauftragten vergeben.
Das bisher geschilderte Panorama der
Hochbegabtenproblematik macht sehr schnell klar, dass insbesondere die
Schulberatung hier gefordert ist, z. B. Initiativen zu begleiten und zu
unterstützen sowie selbst aktiv zu werden. Dazu gehört neben den bereits
erwähnten regionalen Aktivitäten natürlich die Auskunftserteilung für
Ratsuchende zu dieser Thematik in der täglichen Beratungspraxis. Überdies waren
die Schulberatungsstellen diesbezüglich noch auf folgende Weise tätig:
An erster Stelle stand dabei die
Sensibilisierung der Schulpsychologen und Beratungslehrkräfte aller Schularten
gegenüber der Thematik in Dienstbesprechungen und Fortbildungsveranstaltungen.
Im Zentrum dieser Veranstaltungen stand die Kompetenzerweiterung bezüglich
diagnostischer Möglichkeiten und Förderansätzen. Der sich dabei ergebende
Erfahrungsaustausch ist von besonderer Bedeutung, da empirisch noch wenig
bekannt ist, was sich in der Praxis als erfolgreich erweist.
Schulpsychologen der Schulberatungsstelle für
Unterfranken sind eng mit der Entwicklung und Begleitung der Würzburger
Schulversuche befasst. So sind sie neben
anderen Kolleginnen und Kollegen an der Weiterentwicklung der Diagnostik bei
der Aufnahme ans Deutschhaus-Gymnasium ebenso beteiligt wie generell an der
Weiterentwicklung der Konzeption an beiden Schulen.
Auch Veranstaltungen zusammen mit Eltern
erwiesen sich als sehr beeindruckend und für das Verständnis der Situation von
besonders Begabten als hilfreich, wenn diese Eltern aus ihrer teils sehr
leidvollen Erfahrung direkt berichten konnten.
Blick in die Zukunft
Weitere Ansätze künftiger Aktivitäten auf
diesem Gebiet sieht die Schulberatung u. a.:
3.
Die
Erkenntnisse bezüglich Differenzierung im Unterricht, Identifizierung von
besonderem Förderbedarf und dessen Realisierung, der Notwendigkeit von
Zusammenarbeit von Beteiligten und von Teamarbeit von Lehrern können als Modell
für die Förderung besonders begabter Kinder dienen. Zugleich aber können sie
auch für alle Beteiligten dienlich sein, wenn es gilt – wie es die Bayerische
Verfassung sinngemäß betont - jedem Einzelnen gemäß seinen Fähigkeiten
Förderung angedeihen zu lassen.