Bildungskongress Augsburg 29.Okt.2005, Forum III: 

Oberstufe und Lehrerbildung reformieren - Konturen der „Neuen Oberstufe“

Das Forum III „Qualitätsansprüche der Hochschule an Abiturienten“ leitete Werner Honal, Vorstandsmitglieds des Arbeitskreises „Schule, Bildung und Sport“ der CSU und Vorsitzender der Stiftung Gymnasium, Studium und Beruf des Bayerischen Philologenverbandes.

Dieses Forum setzte sich im Kern mit der „Zukunft der Oberstufe“ auseinander. Prof. Walter Zimmermann aus Bayreuth fand Zustimmung zu seiner These, dass es den Studienanfängern nicht an der Fülle des Wissens mangele sondern daran, dass zu wenig Studierende über das richtige Basiswissen auch wirklich verfügten. Die gegen­wärtige Oberstufe verursache eine zu große Heterogenität des Vorwissens. Angesichts der Veränderungen bei den Wertvorstellungen in der Gesellschaft sei das Problem aber nur dann zu lösen, wenn in der Lehrerbildung ein solides Fachniveau und eine solche Fachdidaktik vermittelt werde, die - ohne pädagogische und psycho­logische Überfrachtung - das Spannende des Faches selbst herausarbeite.

Die wirtschaftlich und damit auch sozial prekäre Lage Deutschlands sei eher dann zu verbessern, wenn die Physik, Grundlage des Ingenieurwesens und des Erfinder­geistes, die auch zur Lösung komplexer Probleme in der Unternehmens­beratung helfe, eine klare Aufwertung in der öffentlichen Wertschätzung und in der Oberstufe erhalte. Provozierend verwies er auf den Teufelskreis, der damit beginne, dass zu viele junge Menschen Physik als Leistungskurs oder Abiturfach abwählten. Wenn solche Jugendliche dann selbst z.B. Lehrerinnen in der Grundschule würden, könnten noch weniger Kinder für die Physik begeistert werden.

Zwischen Oberstufe und Hochschule sei eine bessere Verzahnung organisatorisch aber vor allem auch personell nötig. Hierfür halte er die systematische Zusammen­arbeit in der Vorbereitung der Studienwahl für nötig aber auch den zeitweisen Ein­satz von Philologen an der Universität.

Für den RCDS forderte dessen Landesgeschäftsführer Frank Gübner mit konkreten Vorschlägen ebenfalls diese Verzahnung für eine bessere Studienwahlvorbereitung. „Der Tag der offenen Tür“ sei, schlecht vorbereitet,leider oft nicht mehr als ein „Tag unterrichtsfrei“. Die Oberstufe und das Abitur müssten ein breites Fächerspektrum aufweisen und nicht die Spezialisierung betreiben, die die Hochschulen dann unter Zeitverlust wieder ausgleichen müssten.
Im Interesse der Profilierung der Hochschulen und zur Abwehr ungeeigneter aus­wärtiger Studienbewerber sei nach Auffassung des RCDS das Abitur flächendeckend durch Auswahl­gespräche zu ergänzen.

Benedikt Forschner, Landesvorsitzender der Schülerunion, berichtete von einer Studie, nach der nur ein Drittel der Studienanfänger angeben, die Oberstufe habe sie gut auf das Studium vorbereitet. Damit verfehle die gegenwärtige Oberstufe eines ihrer wesentlichen Ziele. Ein breit angelegtes Abitur in fünf Fächern könne eine bessere Wissenbasis liefern.

Als Beitrag für „einen vernünftigen Weg für eine breite Allgemeinbildung und eine Wissenschaftspropädeutik“ bezeichnete der Münchner Abgeordnete Dr. Ludwig Spaenle, Vorsitzender des einschlägigen Landtagsausschusses und des CSU-Arbeitskreises „Hochschule und Kultur“ das Abitur in fünf Fächern. Es sei klar, dass die zur Oberstufenreform nötige professionelle Verzahnung zwischen Oberstufe und Hochschule auch eine Grundlegung und „Mittel und Stellen an den Hochschulen“ erfordere. Die Hochschulen sollten nämlich, so wie z.B. die Technische Universität München, systematisch mit den Gymnasien zusammenarbeiten. Das Wissen über die jungen Menschen, dürfe vom Gymnasium „nicht weggeworfen“ sondern solle in einem „strategischen Ineinandergreifen“ auch der Hochschule nutzbar gemacht werden. Ein flächendeckendes Eignungsfeststellungsverfahren sei dann nicht nötig; es könne nur in begründeten Einzelfällen Platz greifen. Für die „starken Kohorten bis 2015“ sind nach Spaenles Überzeugung große Anstrengungen zu unternehmen, damit viele junge Menschen dieser Abiturjahrgänge als „Humankapital“ Deutschland weiterhelfen können.

Die lebhafte Diskussion mit über 20 Wortmeldungen erbrachte wichtige Konturen für eine neue Oberstufe. Ein Grundübel sei der Mangel an Studienplätzen, der zum Numerus Clausus geführt habe; dieser führe bei den Schülern zur „Punktetaktik“. Dem sei nur mit mehr Wissen über den inhaltlichen Bedarf im Studium und weniger Abwahl­möglichkeiten abzuhelfen. Ein Seminar, das zunächst für alle, unterschieden nach Niveaugruppen, eine Basis an Studien- und Berufswahlvorbereitung legen müsse, könne sowohl der Ort sein, in dem für das Studium erforderliche Methoden, wie die Arbeit in Gruppen und an fächerübergreifenden Projekten („Querdenken“), aber auch der nötige Bezug zur außerschulischen Praxis hergestellt werden könne.
An die Stelle von zwei wählbaren Leistungskursen solle besser ein freiwählbares fünfstündiges Vertiefungsfach treten, das besser als das zurzeit in Erprobung befindliche Seminar des Typs A das wissenschaftspropädeutische Arbeiten und die Kooperation mit der Hochschule leisten könne. In ihm ist eine Seminararbeit in vorzustellenden Abschnitten zu fertigen. Besonders Begabten solle schon während der Oberstufe ein Frühstudium ermöglich werden, das mit dem Vertiefungsfach verrechnet werde.
Dieses Vertiefungsfach käme zu den Fächern Deutsch, Fremdsprache und Mathematik im Abitur. Dabei solle unter den Fremdsprachen gewählt werden, die bis zur Jahrgangstufe 12 wenigstens 4 Jahre unterrichtet wurden. Mathematik könne auch durch eine propädeutische, die Mathematik stark verwendende, Physik ersetzt werden. Das fünfte Abiturfach könnte ein Profilfach der Mittelstufe oder, falls mit dem Vertiefungsfach noch keine ausreichende Breite des Fächerspektrums erreicht wird, ein Fach wie z.B. Geschichte, Wirtschaft- und Recht oder auch Musik sein.

Das Forum stellte auch klar, dass für den Erfolg der „Neuen Oberstufe“ passable Rahmenbedingungen nötig seien. So müsse eine „Infantilisierung“ durch mehr Selbstständigkeit und eine geringere Regelungsdíchte bekämpft und wieder mehr Eigenverantwortung gelernt werden. Nicht der Lehrer habe Leistungen zu holen, sondern der Schüler habe sie zu bringen. Nur in überschaubaren, kleinen Gruppen könne, individuell gefördert, Neugier auf die Welt der Wissenschaften, Lernfreude und Lernerfolg erzielt werden. Letztlich müssten die dazu erforderlichen Haushalts­mittel durch eine positive Einstellung der Wähler und Gewählten zur Bildung junger Menschen und damit zur Arbeit des Lehrers als Fachmann für Bildung gewonnen werden.


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